Warum Wiedereinstieg oft nicht gelingt

Die drei häufigsten Gründe

Wir haben am deutschen Arbeitsmarkt Probleme, die nicht zu leugnen sind: Zum einen hält der Fachkräftemangel seit Jahren Einzug in deutschen Unternehmen. Uns fehlt es an gut ausgebildeten hoch motivierten Mitarbeitern. Zum anderen fordern die jungen Generationen, für welche Management-Positionen zunehmend unattraktiver werden, mehr Werteorientierung wie Sinn, Familie und Freizeit stärker Und nicht zuletzt die Tatsache, dass es in den Führungsriegen an weiblichen Kandidaten mangelt.

Gleichzeitig haben wir jedoch das Problem, der unzureichenden Integration von Müttern in den Arbeitsmarkt, fehlende Einbindung ins Talent Management und unzureichende Maßnahmen für Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele gut ausgebildete Frauen, die einst Potenzialträgerinnen waren, kommen nur in Teilzeit oder gar nicht zurück in ihren alten Job. Zu Zeiten von Fachkräftemangel und Bestreben der Erhöhung von Frauenquoten in den Führungsmannschaften, man könnte sagen, ein Verbrechen.

Doch warum gelingt der Wiedereinstieg bei vielen Frauen nicht? Warum unterstützen sich Arbeitgeber und Mütter kaum in dieser besonderen Phase des Mutterwerdens? Und was wären erste Stellhebel, um das Thema anzugehen?

Aus meiner Coaching- und Beratungspraxis habe ich die drei häufigsten Gründe für einen nicht gelingenden Wiedereinstieg von Müttern nach der Elternzeit identifiziert.

Grund 1: „Sichtbarkeit & Ansprüche“

Ich vertrete die Meinung: Wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir bei uns selbst anfangen. Gerade bei Müttern erlebe ich ein Phänomen der überhöhten Ansprüche an sich selbst und einer Angst vor Sichtbarkeit.

Frauen, so zeigen diverse Statistiken, haben die besseren Schulabschlüsse, die kürze Studienzeit, die besseren Ausbildungs- und Studienabschluss und finden nicht zuletzt schneller ins Berufsleben, im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Doch in den 30igern bekommt diese Leistungskurve einen Knick. Viele  Frauen wirft das Muttersein zurück auf alte Rollenbilder.

Von klein auf wird Frauen suggeriert, sie müssten brav, strebsam und auch ruhig sein. Das ist zum einen Erfolgsfaktor, aber zum anderen steht man sich damit selbst im Weg. Wir Frauen haben es dadurch gelernt, dass wir durch Strebsamkeit und Disziplin alles schaffen können. Doch wenn es darum geht Mutter zu werden und erfolgreich zurück in den Job zu kommen, dann können Frauen diese Ambitionen im Weg stehen. Das heißt, viele Mütter planen ihre Rückkehr zu schnell, beachten nicht, wie lange es dauern kann, einen Betreuungsplatz zu finden und wie lange es auch dauern kann ein Kind einzugewöhnen. Aber vor allem findet der innere Umbauprozess, die heftige Persönlihckeits- und Identitätsentwicklung von Müttern keine Beachtung. Dass Werte sich verschieben, dass es sein, kann, dass komplette Lebensskripten neu geschrieben werden, das wird gerne weggedrängt.

Das heißt die Wiedereinstiegspläne, die meist nur die Mütter im Kopf haben, sind viel zu straff und realitätsfern, so dass Frust vorprogrammiert ist.

Diese realtitätsfernen Vorstellungen werden von den Medien und gesellschaftlichen Haltung vom Muttersein unterstützt. Muttersein wird im „Vorbeigehen“ empfunden. Es ist doch klar, dass man wie Heidi Klum, 6 Wochen nach Entbindung wieder für Victoria’s Secret auf dem Laufsteg laufen kann. Und bei wem’s nicht funktioniert, ja diese Frau hat dann was falsch gemacht… Aber anstatt, jene Illusionen und Luftschlösser einzureissen, halten wir Mütter selbst jene hoch und leiden heimlich still und leise hinter verschlossenen Türen, dass wir unsere selbst viel zu hoch gesteckten Ziele nicht erreicht haben.

Grund 2: „Orientierungslos & Isoliert“

Der zweite Grund, warum der Wiedereinstieg nach der Elternzeit scheitert, liegt im Kontakt. Kontakt zum Arbeitgeber, zu unserem privaten Umfeld, aber vor allem auch Kontakt zu uns selbst.

 Viele werdende Mütter freuen sich auf die Elternzeit. Weg von den beruflichen Verpflichtungen, einfach mal Aussteigen, sich auf etwas ganz Neues, ein Abenteur einlassen. Ein bisschen fühlt es sich so an, als würde man ein Sabbatical machen. Aber egal ob Elternzeit oder Sabbatical, eines ist so abdingbar: der Kontakt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und danach ein sauber aufgestellter Onboarding-Prozess.

Wir vergessen in unserer Blase – die Mütter in der Baby-Blase und die Arbeitgeber in der Business-Blase – dass das Leben auf der jeweils anderen Seite weitergeht. Dass Projekte vorangetrieben, dass Ergebnisse geliefert und Krisen bewältigt werden müssen – auch ohne die Mutter, die daheim auf einem ganz anderen Planeten an ihren Herausforderungen wächst und Persönlichkeitsentwicklung der rasanten Art vollzieht. Mütter sehen sich aber auch plötzlich isoliert. Sie sind zwar durch das Baby nie allein, aber meist doch ziemlich einsam. Sie vergessen oft, was sie wirklich ausmacht, was sie glücklich macht und leiden still im Kämmerlein.

Es gilt daher zum einen die Perspektive des anderen – die Mutterseite und die Arbeitgeberseite – zu sehen und zu verstehen. Sich regelmäßig hineinzuversetzen und den persönlichen Kontakt zu ritualisieren.

Und auch die Teamkollegen sind ein wichtiger Faktor, wenn Wiedereinstieg gelingen soll. Die Teamkollegen sind es, die oft vergessen in der Elternzeit vergessen werden. Kein Wunder, wenn da wenig Verständnis für Hindernisse nach der Elternzeit entgegengebracht wird bzw. gar kein Bewusstsein dafür entsteht, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur die Mütter angeht, sondern jeden einzelnen von uns.

Und da ist da noch der Kontakt zu sich selbst: Fremdbestimmung, Medien und Werteverschiebung führen dazu, dass Mütter sich innerlich komplett neu organisieren müssen. Gleichzeitig fehlt für diesen Prozess jedoch in erster Linie das Bewusstsein und in zweiter Linie auch die Zeit. Wenn Wiedereinstieg gelingen soll, dann darf jeden Mutter diesen krassen Change in ihrem Leben, diese Persönlichkeitsentwicklung als diese wahrnehmen, verstehen, welch Kraftakt dahinter steht, aber vor allem auch im Kontakt zu sich selbst zu bleiben. Sich selbst nicht verraten, zu wissen, was mich selbst glücklich macht, was mich ausmacht und was mich zu einer besseren Version von mir selbst macht.

Grund 3: „Planlos & ohne Ziel“

Es ist paradox, gerade im Muttersein habe ich gelernt, dass es oftmals der beste Plan ist sich keinen Plan zu machen. Keine Erwartungen zu haben bedeutet auch nicht frustriert zu sein. Aber gerade wenn es um den Wiedereinstieg geht, ist es so wichtig einen guten Plan zu haben und sich tolle Ziele zu setzen.

Wenn eine Frau in Mutterschutz geht, dann wird oftmals noch mit dem Chef besprochen: „Wer macht die Vertretung? Wie regeln wir die Übergabe? Welche Themen kannst du von daheim noch machen? Wann kommst du wieder?“ Aber das war es oft schon. Aus meiner Sicht ist das zu wenig. Es braucht einen sauberen und strukturierten internen Prozess – ähnlich zu Entsendungen – damit die Mutter gut in die Elternzeit und vor allem wieder zurück kommt.

Insbesondere geht es um konkrete Absprachen mit konkreten Terminen. Es funktioniert nicht, wenn Chef und Mutter vereinbaren „Wir hören uns ein Mal im Monat.“ Das Resultat: Sie hören sich nie. Es braucht feste Termine, wie z.B. immer der 1. Des Monats oder immer der 1. Montag im Monat. Nur dann werden Regeltermine auch verbindlich und wirklich greifbar. Gleiches gilt für den Tag des Wiedereinstiegs. „Ende April 2022“ ist zu wenig konkret. Besser: „1. Mai 2022“.

Gleiches gilt für Zielvereinbarungen. Was für Mitarbeiter inzwischen gänzlich normal ist, über Ziel motiviert zu werden und auch so am Unternehmenserfolg beteiligt zu werden, ist für Mütter meist ein Fremdwort. Doch gerade für Mütter wären die mittel- bis langfristigen Ziele so wichtig. Zum einen, damit diese auch während ihrer Abwesenheit einen „Fixstern“ haben, der ihnen die Richtung – vor allem zurück in den Job – weist. Ferner haben Mütter so auch weiter das Gefühl relevant und wichtig für das Unternehmen zu sein. Aber vor allem werden so Mütter im Unternehmen gehalten und fühlen sich viel mehr verpflichtet ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal zu bleiben.

Aber, sowohl für feste Jour Fixes, Regeltermine als auch für Ziele gilt: Flexibel sein ist immer ein gute Sache. Denn nichts gestaltet sich so individuell und dynamisch wie der Prozess des Mutterwerdens und Mutterseins.

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